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Sollbruch & Krise: Über die Unmöglichkeit des Paradieses

 

I Exposition

Eine Blase ist ein gasförmiger Körper im Innern einer Flüssigkeit. Sie ist durch eine in sich geschlossene Phasengrenze getrennt. Wenn die Oberflächenspannung nicht mehr ausreicht, um den Innendruck zu halten, kollabiert die Blase. Beim Zusammenfall der Blase entsteht an der Stelle ihres Zentrums ein Bereich mit hohem Druck, der sich als Stoßwelle ausbreitet. Eine asymmetrische Blase erzeugt beim Zusammenfall einen kumulativen Strahl, der jedes Material zerstören kann.

                                                                                                     

1919 schreibt William Butler Yeats:
„Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world“

 

 

Krise, κρίσις, bezeichnet ursprünglich die Scheidung, den Streit ebenso wie die Ent-Scheidung, die Meinung, das Urteil, das einen Konflikt beendet. Krise kommt von dem Verb κρίνɛιν: trennen, scheiden, auswählen. Im Medizinischen und Militärischen heißt Krise auch Kipppunkt, an dem sich Leben und Tod, Sieg und Niederlage entscheiden.
In der Systemtheorie sind Krisen „heikle Situationen in System/Umwelt-Beziehungen, die den Fortbestand des Systems oder wichtiger System-Strukturen unter Zeitdruck in Frage stellen.“[i]
In der Psychologie bezeichnet der Begriff Krise den „Verlust des seelischen Gleichgewichts“, durch den die menschliche Psyche überfordert ist. Trauma kann als Spezialfall dieses Krisenbegriffs verstanden werden, einer nämlich, in dem die Krise von so katastrophalem Ausmaß ist, dass sie „nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde“[ii]. Krise als Kipppunkt. Trauma, wenn die Balance nicht mehr zu halten ist.

 

 

Warum geht es dir um den Garten? Weil aus dieser „kleinsten Parzelle der Welt“ ihre Totalität herauszulesen ist. [iii]
Das Paradies ist ein Garten. Pairi-daêzã im Altpersisch des Avesta, der Schriftensammlung des Zarathustrismus, ist „eine rings-, rundum gehende, sich zusammenschließende Umwallung, Ummauerung“[iv]. Die Grenze macht die Natur zum Garten. Er braucht ein stabiles Außen, Umgebungsdruck und Oberflächenspannung, in das abgestorbene Reste entsorgt werden können, aus dem für sein Blühen notwendige Ressourcen hineingeschafft werden können. Outsourcing. Damit das Zentrum hält. Damit das System nicht kippt. Damit das Paradies bleibt, was es war und verspricht.
Der Baum im geografischen und symbolischen Zentrum des Paradieses ist die Sollbruchstelle, durch die Schuld und Scham einfallen. Damit der Garten hält, müssen die Sünder vertrieben werden. Zu seinen Mauern führen alle Fäden, an denen sich die Menschheit zurück und hin zum Paradies lebt.

 

 

II Erregendes Moment

Durch das Paradies fließen vier Flüsse. Perat, Hiddekel, Gihon, Pischon. Honig, Milch, Wein, Öl. Schaut man sich heute Karten der Grenzregion zwischen Irak und Iran an – dort, wo zwei als Perat und Hiddekel erkannte Flüsse fließen –, schaut man auf einen der erdölreichsten Teile der Erde. In den unterirdischen Feldern wurden ca. 263.000 Millionen Barrel Erdöl gefunden, aus denen seither 20 % des Öls abgepumpt worden sind. Das weltliche Paradies ist verrottet und hat sich über Millionen Jahre in dunklen Traumataschen in die Erdkruste abgelagert.

 

 

In einer ökonomischen Lesart des biblischen Paradieses zeigt das Essen der Frucht (später als malus, Apfel übersetzt, was im Lateinischen auch böse bedeutet) die menschliche Grundveranlagung zum Streben.
Die biblische Geschichte als eine über die menschliche Veranlagung, jeden Stillstand – auch den scheinbar paradiesischen – optimieren zu wollen. Die Unmöglichkeit des Paradieses für fortschrittsgetriebene Menschen.
Geht man von einer Veranlagung zum Streben aus, so ist jede Statik paradoxerweise instabil, die zielgerichtete Bewegung stabil. Genauer: Wachstum ist stabil, Stagnation oder Schrumpfung sind krisenhaft. Das schillernde Feld: zwischen Dynamisierungszwang als Stabilisation ineinandergreifender Systeme auf der einen und Balance als unmögliche, jedoch motivierende Verheißung auf der anderen Seite. Hierbei geht es mehr um die Allgegenwärtigkeit eines Krisenzustands als um die Existenz paralleler Krisen, multipler Krisen oder interagierender Krisen wie Syndemien. Es geht um die Frage, ob ein krisenloser Zustand existiert und ob der Krisenzustand als herausgestellt Anderes, als Ausnahmezustand existiert.

 

 

Beachte: Das Paradies ist kein stabiler Zustand – die Frucht reift in seinem Zentrum, es wird immer von ihr gekostet werden.

 

 

Ein Punkt ist ein topologisch nulldimensionaler Raum.[v] Kipppunkte gibt es in der Theorie nicht. Kipppunkte gibt es in der Realität nicht. Kippen ist ein ständiger Zustand, eine Gerade oder nichtnulldimensionale Fläche. Ein krisenhaftes System kippt und bleibt so in seinem Gleichgewicht. Es gibt keine Kipppunkte, es gibt Kippknistern, das ständige Platzen, Brechen, Knacken in den Gartenhecken.

 

 

Wie fühlt sich die Krise an?

Ständig.
Wie eine beschwerte Therapiedecke, unter der mir im Sommer zu heiß wird.
Als Kind musste ich beim Asthmatest durch ein zerkautes Mundstück Luftballons auf dem Bildschirm zerpusten. Am meisten haben irgendwann die Augen gebrannt.

 

 

Salvage Accumulation, „taking advantage of value produced without capitalist control“[vi], benennt die notwendige, Not abwendende Umzäunung einer kapitalistischen Sphäre als Trennwand zur Ertrag ermöglichenden Wildnis. Das Öl des Paradieses vor dem Persischen Golf ist der eingekochte Sud präkapitalistischer Stille. Er ruft Krisen hervor wie Verheißungen. 1973 nach יום כיפור, Jom Kippur, dem Abschluss der zehn Tage der Umkehr, und 1979 nach der Islamischen Revolution, vor dem Ersten Golfkrieg. Ruft Krisen hervor, wenn er in seiner Verbrennung die Grenze zur Atmosphäre durchbricht, weitere Krisen auslöst. In vertrauten Abständen aus Offshore-Leaks sprudelt, weitere Krisen auslöst. 1990, Kuwait fördert Öl über dem vereinbarten Limit, jede Grenze wird zu einer losen Bindung. Wie löscht man 700 in Brand gesetzte Ölseen?

 

 

Im جنّة, Dschanna, fließen 4 Flüsse. „Bäche von Wasser, das nicht verdirbt, und Bäche von Milch, deren Geschmack sich nicht ändert, und Bäche von Wein, köstlich den Trinkenden, und Bäche von geklärtem Honig.“[vii] Der Islam ersetzt das biblische Öl durch Wasser. Die Gläubigen werden durstig ins Paradies einziehen. Wer das paradiesische Wasser trinkt, wird nie wieder durstig sein. Man sagt, im letzten Jahrhundert wurden Kriege über Öl geführt. In diesem Jahrhundert werden es Kriege um Wasser sein.[viii]

 

 

III Peripetie oder KRISE

John F. Kennedy sagt in einer Rede am 12. April 1959: „When written in Chinese, the word ‘crisis’ is composed of two characters – one represents danger, and one represents opportunity.“[ix] Das zweite Schriftzeichen von 危機 (crisis, Krise) ist ein Teilzeichen von 機會 (opportunity, Möglichkeit). Alleinstehend bedeutet es: Wechsel oder Kipppunkt.

 

 

In Momenten akuter Stressbelastung, z. B. Panikattacken, kann eine Person sich einen inneren sicheren Ort vorstellen und sich dorthin zurückziehen. Im Rahmen verschiedener Traumatherapiemethoden wird dieser Ort unter Anleitung geschaffen und zur Beruhigung aufgesucht.

 

 

2007. Eine Blase platzt auf, Umgebungsdruck und Oberflächenspannung, the centre cannot hold. Für den Bruchteil einer Millisekunde: Der Kollaps der Blase funkt sonolumineszente Signale hinaus. Sie können das Material zerstören, aus dem der globale Kettenbrief gemacht ist.

 

2014 traf ein Containerschiff, das mit 100 Tonnen Eis beladen war, im Hafen von Kopenhagen ein. Für die Installation ordneten Ólafur Elíasson und Minik Rosing 12 Eisbrocken, abgesägt vom Nuup Kangerlua Fjord vor Nuuk, Grönland, im Kreis vor dem Kopenhagener Rathaus an. Eine ablaufende Uhr. Nach drei Tagen ist fast alles weggeschmolzen. Später zieht das Kunstwerk nach Paris und London. Ice Watch London: 11 December 2018 until the ice has melted. Für je nach Jahreszeit drei bis zehn Tage schmilzt die Arktis in Europas Großstädten. Etwas ist durchlässig geworden für die Zeit der Eisschmelze.

 

 

In seinen Fiebernotaten schreibt Martin Heidegger in Ausrufen wie „Die Notlosigkeit die eigentliche Not. Die Notlage die Notlosigkeit. (…) Die Notwendigkeit der Kunst je nach der Not der Geschichte. Unsere Not die Geschichte als solche – ‚das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt.‘ (…) Notlosigkeit als verhüllte Not!“[x], was Santiago Zabala zusammenfasst zu: „the only emergency has become the lack of a sense of emergency“[xi]. Heideggers Notlosigkeit verpflichtet Kunst dazu, nicht aus dem Notzustand heraus, sondern in die Krise hineinzuretten.

 

 

Ice Watch rettet, Systemgrenzen durchfahrend, hinein in die Krise und ihre Entscheidungen, κρίσις, κρίσεις. 2014 UN IPCC’s Fifth Assessment Report on Climate Change. 2015: UN Climate Conference COP21. 2018: COP24 und der dritte Jahrestag des Paris Agreement. Wenn es eine Entscheidung gegen die Krise gibt, gibt es eine Krise?

 

 

Warum geht es dir um den Garten? Weil aus der Krise in dieser „kleinsten Parzelle der Welt“ ihre Totalität herauszulesen ist.
Der Mensch im Paradies trifft die Entscheidung, κρίσις, gegen den Biss. Bis er die Entscheidung, κρίσις, trifft für den Biss. Er macht sich schuldig, indem er ständig und vollziehend Entscheidungen trifft.[xii] Das Entscheiden gegen die Krise ist krisenhaft. Wenn es keine Entscheidung gegen die Krise geben kann, gibt es eine falsche Entscheidung?

 

 

IV Retardierendes Moment

Die Yachten fahren weiter. Wer es sich leisten kann und nicht als „namenlos Marginalisierter“[xiii] dazu verdammt ist, lässt sich wegtreiben von zivilisatorischen Knotenpunkten. Öl treibt die Schiffe in ihre Paradiese. Macau, Malta, Barbados, Bahamas, Panama, Samoa. Aus Krisen treibt auf, wer resilient hineingegangen ist.

 

 

„We cannot ignore the livability and environmental crises facing our world’s cities, and NEOM is at the forefront of delivering new and imaginative solutions to address these issues. “[xiv] NEOM, das Prefix neo und M für Mustaqbal, مستقبل, Zukunft. Das neue Paradies aus 500.000.000.000 Öldollars als Krisenbewältigung und Entschluss zur Notlosigkeit in der saudischen Wüste. Seine Wände sind undurchlässig. Die klimatisierten Bedingungen sind ganzjährig optimal: ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen Sonnenlicht, Schatten und natürlicher Belüftung. Paradies – Öl – Paradies´. Ein künstlicher Mond wird NEOMs Himmel beleuchten.

 

Die Resilience Systems Scale unterscheidet drei Arten von psychologischer Resilienz:

Engineering Resilience: die Fähigkeit eines Systems, sich nach einer Störung schnell und mühelos in einen stabilen Gleichgewichtszustand zu bringen.
Ecological Resilience: die Fähigkeit eines Systems, Störungen zu ertragen oder ihnen zu widerstehen, während es einen stabilen Zustand beibehält und sich an notwendige Veränderungen in seiner Funktionsweise anpasst.
Adaptive Capability: die Fähigkeit, Funktionen und Prozesse kontinuierlich anzupassen, um bereit zu sein, sich an jede Störung anzupassen.

Die American Psychological Association rät, zur persönlichen Resilienzstärkung zu vermeiden, Krisen oder stressige Ereignisse als unerträgliche Probleme zu sehen, und hoffnungsvoll zu bleiben, positive Dinge zu erwarten und Wünsche zu visualisieren.[xv]

 

Die Finanzkrise 2007, Wirtschaftskrisen danach bis zur Schuldenkrise 2009 onwards. Dass dieses ökonomische Hyperobjekt dauerhaft kippt. Wachstum sind krisengetriebene Sprints zur nächsten Scheinboje. Die Krise in dem einen System durch Verschuldung im anderen lindern. Hier Konjunkturprogramme aus Finanzmarktspielen zusammentackern, hier Staatsanleihen im Finanzmarkt verscherbeln, hier BIP-Wachstum aus Rentenjahren stanzen, hier Sozialleistungen kürzen und Therapieplätze aufstocken.

 

 

Ursprünglich als moralischer Streit und seine Auflösung erkannt, liegen Krisen in ihrem heutigen Verständnis keine unmoralischen Handlungen zugrunde, sondern gescheiterte Systeme, Politiken und Theorien. Rationale Akteure haben von der Marktlogik moralisch neutralisierte Entscheidungen getroffen. Ein undurchsichtiger Wirrwarr, dessen Komplexität moderne Rechenschaftsapparate nicht gewachsen sind. An ihre Stelle tritt ein mechanischer Risikobegriff, nach dem Verschuldung an und Beitrag zur Wohlfahrt in Renditen ausgezahlt werden.

 

 

Schuld tropft von der zerbissenen Apfelschale in das Paradies und vertreibt uns in eine Welt aus Gut und Böse. Schuld ist ein unter Druck stehendes Ölbassin aus vergorenen Kerngehäusen.

 

 

Eine Krise treibt auf, wenn Stress > Resilienz. Notlosigkeit gilt, wenn eine Krise absinkt, wenn Stress < Resilienz. Eine Krise, im Ölsee aus Krisen, sinkt ab, wenn sie Systemgrenzen passiert. Das Paradies visualisieren im brennenden Wald, dem wertlosen Wohnhaus, dem trockenen Moor, dem vollgelaufenen Keller, der schwindenden Freiheit, dem morschen Bienenhotel. Eine Krise, im Knistern der Krisen, sinkt ab, wenn sie Systemgrenzen passiert. Auf Innovation aus Universitäten und Unternehmen hoffen, um die Atmosphäre zu erhalten, Pandemien zu beenden, Wasser zu entsalzen, Erdbeben vorherzusagen. Eine Krise, in der Schuld kommender Krisen, sinkt ab, wenn sie Systemgrenzen passiert. Mit Wirtschaftswachstum erwarten, Kriege aufzulösen, Psychen zu heilen, Kinder zu beschützen, Kobalt zu seinem Gleichgewichtspreis zu verwerten.

 

 

Krise rationalisieren ist keine Bewältigungsstrategie. Notlosigkeit ist übersteigende Resilienz. Hinschauen und wegschauen können als Privileg der „merely safe“[xvi]. Geradeso. Eine bedachte Krise wird wieder auftauchen, wie die Yachten auf dem Weg in ihr Paradies. Traumata bis zur Überwältigung durchfühlen. Wo verläuft die Grenze zu den unumkehrbaren Krisen?

 

 

Das Paradies ist ein unmöglicher Ort. Als Steuerparadies nur für die Vermögenden. Als Leben nur für Tourist*innen. Als Ideal nur für die Fantasie. Als Vision nur für die, die in einem neuen Paradies ankern können.
Als Columbus den Orinoco Fluss erreichte, war er sicher, er hätte den Rand des Paradieses erreicht.[xvii] Er war in der Tat in die Tax-Havens heutiger Steuerparadiese eingefahren.

 

Die Bagger stehen bereit. Sobald genug Howeitat umgesiedelt sind, beginnt der Bau. 2030 werden 1 Million, 2045 9 Millionen Menschen die neue Zukunft bewohnen. NEOM, „ein neues Paradigma, in dem Menschen, Industrien und Technologie in harmonischem Einklang mit der Natur zusammenkommen.“ THE LINE, die vertikale Stadt, ist eine durch die Region NEOM verlaufende Wand. Sie wird eine äußere Spiegelfassade haben und mit der Natur verschmelzen. Im Paradies werden Menschen und Natur in Harmonie miteinander sein, das Kind im Nest der Natter spielen.[xviii]

 

 

V Lösung oder Katastrophe

Es geht um die Krise, das Zentrum, das nicht hält, das Trennen an den Rändern, die Gartenmauer, die Verbannung, die Blase, die Schuld, die Resilienz überschneidender Systeme.
Das Paradies ist verschuldete Vergangenheit. Das Paradies des Wachstums liegt immer in greifbarer Zukunft. Die Angst vor dem Aufbrechen der Ränder ist der hindurchstoßende Strahl. Das Paradies ist ein ängstliches Idyll.

 

 

Warum ein Garten?

Ich mag die Ruhe.

Ruhe.

Ja, und ich atme langsamer. Das fühle ich im Körper.

Wo im Körper?

Hier in der Brust, und am Rücken und Bauch, um die Schultern.

Wollen wir anfangen mit dem Klopfen?

Okay. 

Leg die Hände überkreuzt auf den Brustkorb. Jetzt stell dir den Garten vor. Was siehst du? Was riechst du? Und klopfe dabei rechts. links. rechts. links. rechts…

 

 

Systeme vereinen sich zu Krisen. Ihre Mauern bröckeln. Ihr Zentrum reift.
Systeme vereinen sich zu Resilienz-Strukturen. Menschliche Gesundheit, die Resilienz des kippenden Klimas. Erderhitzung, der Resilienzmechanismus gedeihender Wirtschaft. Ein Bergarbeiter in der Kobaltmine, die unsichtbar gemachten Schwimmflügel an der unsichtbaren Hand.
Systeme sind sich Krise und Resilienz zugleich. Weil die falschen Stoffe ihre Grenzen überwinden und die dazu bestimmten Stoffe nicht aus ihren Grenzen ausbrechen. Erdöl in der Erde löst keine Erhitzung aus. Kobalt in unmenschlichen Mengen verzögert die Implosion der nächsten Finanzblase.

 

 

Warum geht es dir um den Garten? Weil aus der Vision von dieser „kleinsten Parzelle der Welt“ ihre Totalität herauszulesen ist.
Das Paradies zerbricht an der Krise. 2045 werden 9 Millionen Menschen in einer verspiegelten Wand in der zur Unbewohnbarkeit erhitzten Wüste leben. In einen zur Bewohnbarkeit runtergekühlten Überwachungskomplex wird die Krise nicht einfallen. Eine automatisierte Entscheidung ist keine Entscheidung. Notlosigkeit ist die vergessene Frucht. Das Paradies ist eine 200 m breite Linie auf Ölfeldern. There is no centre to fall apart. Ihr betreibendes Kobalt trifft auf wankenden Containerschiffen im Hafen von NEOM ein. Das Paradies ist fragil in seinem Zentrum, wenn eine Entscheidung gelassen wird.

 

 

Das Paradies existiert als Fantasie. Als heimsuchender Verlust und Fluchtpunkt, solange wir den Garten entwerfen. Durch ihn fließen vier Flüsse. Aus seinen gepressten Ruinen ist die globale Ökonomie geformt. Die Totalität der Krise ist die vergebliche Flucht. Krise rationalisieren ist keine Bewältigungsstrategie. Was machen aus der absurden Verdammung zum Krisenbewältigen? Hineinretten. Neue Resilienzsysteme erschließen. Alles im Wanken halten.

 

 


[i] Luhmann, Niklas. 1977. Zweckbegriff und Systemrationalität. Frankfurt: Suhrkamp, S. 327.

[ii] World Health Organization. 1994. Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10), Kapitel V. Bern: Huber, S. 124.

[iii] Foucault, Michel. 1992. Andere Räume, in: Karlheinz Barck, u. a. (Hg.). Aisthesis. Wahr­nehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essays. Leipzig: Reclam, S. 34-46. („Der Garten ist die kleinste Parzelle der Welt und darauf ist er die Totalität der Welt.“ S. 43)

[iv] Bartholomae, Christian. 1904. Altiranisches Wörterbuch, Strassburg: Karl J. Trübner. Spalte 865.

[v] Bartsch, René. 2015. Allgemeine Topologie. Berlin, Boston: De Gruyter, 2015, Satz 4.4(4).

[vi] Lowenhaupt Tsing, Anna. 2015. The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins. Princeton, Oxford: Princeton University Press, S. 63.

[vii] Kuran Sure 47.16.

[viii] Ismail Serageldin, Vizepräsident der Weltbank, 1995.

[ix] Kennedy, John F.. 1959. Pre-Presidential Papers. Senate Files. Speeches and the Press. Speech Files, 1953-1960. United Negro College Fund, Indianapolis, Indiana, 12 April 1959. https://www.jfklibrary.org/asset-viewer/archives/JFKSEN/0902/JFKSEN-0902-023 , S. 2.

[x] Heidegger, Martin. 1992. Die Unumgänglichkeit des Da-seins („Die Not“) und Die Kunst in ihrer Notwendigkeit (Die bewirkende Besinnung). Heidegger Studies, Vol. 8, S. 6-12.

[xi] Zabala, Santiago. 2018. Why Only Art Can Save Us. New York City: Columbia University Press. S. 13.

[xii] Heidegger, Martin. 1927/1993. Sein und Zeit, 17. Auflage. Tübingen: Max Niemeyer Verlag, Kap. 3, §62, S. 305.

[xiii] Meyer, Kurt. 2009. Der Europäer. In: Jacob Burckhardt. Leiden: Brill Fink, S. 229-243.

[xiv] HRH Kronprinz Mohammed Bin Salman. 25. Juli 2022. Designs for THE LINE, the city of the future in NEOM. https://www.neom.com/en-us/newsroom/hrh-announces-theline-designs

[xv] American Psychological Association. 1. Februar 2020. Building your Resilience. https://www.apa.org/topics/resilience/building-your-resilience

[xvi] Sontag, Susan. 2004. Regarding the Pain of Others. New York City: Picador, S. 7.

[xvii] „All this provides great evidence of the Earthly Paradise, because the situation agrees with the beliefs of those holy and wise theologians“ (cited in Rushby 2006:69)

[xviii] Jeschajahu/Jesaja 11:6-9.

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