Preisträger:innen des WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2022

Juli Mahid Carly, Irina Nekrasov und Jonë Zhitia sind die Preisträger:innen des mit 15.000 Euro dotierten WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2022. Der Preis wird zu gleichen Teilen vergeben. Juli Mahid Carly wird für den Text Tere Mere Beech Mein, keine Ahnung was das heißt ausgezeichnet, Irina Nekrasov für Marijam und Jone Zhitia für Nadryw | Sprache fühlen. Geantwortet hatten alle drei auf Volha Hapeyevas Aufruf: "Schiffe vor Anker, Autos auf Parkplätzen, aber ich bin diejenige, die kein Zuhause hat." Wie lassen sich Flucht, Exil und Heimatlosigkeit in Worte fassen?

"Die drei ausgezeichneten Texte nähern sich alle auf unterschiedliche Weise Erfahrungen von Heimatlosigkeit und des Dazwischen-Seins, indem sie die Form des Essays in eine archäologische Spurensuche verwandeln. Es sind ebenso kraftvolle wie eigensinnige Standortbestimmungen, die eine beeindruckende Vielzahl an Materialien und Referenzen in den Blick nehmen. Alle Erzähler:innen verbindet, das sie aus der Position diasporischer Erfahrungen heraus schreiben und auf beeindruckende Weise Brücken schlagen – zwischen Zeiten und Orten ebenso wie zwischen Hoch- und Popkultur. Dabei gelingt es ihnen, für ihre Perspektiven jeweils eine ganz eigene Sprache zu finden. Diese drei Essays sind ästhetisch originelle Beiträge für das Nachdenken über Gesellschaft und Gegenwart – klug und relevant.", so die Begründung der Jury.


Juli Mahid Carly

"Juli Mahid Carly schreibt von der Unmöglichkeit einer organischen Perspektive aus der westlichen Diaspora auf das “Mutterland” Bangladesch und die eigene Existenz im Dazwischen.

In ästhetisch anspruchsvollem Sampling aus orientalistischen Klischees, popkulturellen Referenzen und scharfsinnigen Beobachtungen legt Tere Mere Beech Mein, keine Ahnung was das heißt Satz um Satz koloniale Abhängigkeiten und Ambiguitäten innerhalb eines transnationalen Familiengeflechts offen." (Begründung der Jury)

Juli Mahid Carly (*1997 in Baunatal) studierte Germanistik und Geschichte in Göttingen und Theaterregie in Ludwigsburg und promoviert zurzeit an der Kunsthochschule Kassel. Neben Theatertexten erarbeitet Juli autofiktionale Performances, Dokumentarfilme und partizipative Musiktheater-Projekte.

Tere Mere Beech Mein, keine Ahnung was das heißt txt-Datei

Irina Nekrasov

"Irina Nekrasov erzählt in Marijam Familiengeschichte als Geschichte einer Namensverwandlung. Über drei Sprachen, zwei Länder und tausende Kilometer hinweg transformieren sich Gewissheiten zu Anekdoten und möglicherweise sogar zur Fiktion.

Am Ende dieser Überlieferungen, die ihren Ursprung vor über einem Jahrhundert in Tatarstan haben, steht ein:e Erzähler:in, die von Leipzig aus versucht, die Spuren freizulegen, die generationenübergreifend durch Zwang und Assimilation verwischt wurden. In den familiären Verbindungen liegt der Trost dieser Archäologie." (Begründung der Jury)

Irina Nekrasov (*1993 in Tscheljabinsk) studiert Kulturwissenschaften und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Irina ist Teil des Autor_innenkollektivs PMS Postmigrantische Störung. Veröffentlichungen u.a. in der Anthologie Solidarisch gegen Klassismus.

Marijam txt-Datei

Jonë Zhitia

"Der Essay Nadryw | Sprache fühlen zeigt auf eindrucksvolle Weise, welche Paradoxien die Suche nach Heimat in der Sprache für eine Person bereithält, die ins Exil hineingeboren wird und zweisprachig aufwächst.

Dies gelingt Jonë Zhitia mit genauer Beobachtung und einfühlsamer Sprache, die den Zustand dauernder Überforderung im ständigen Dazwischen-Sein klug in Worte zu fassen vermag. (Begründung der Jury)

Jonë Zhitia (*1996 in München) studiert Soziologie und Literarisches Schreiben an der Universität Leipzig. Sie ist Mitbegründerin des nachhaltigen und feministischen Onlinemagazins EKOLOGISKA MAG und veröffentlichte unter anderem in den Magazinen tuerspion und JENNY.

Nadryw | Sprache fühlen txt-Datei

Shortlist zum Förderpreis-Aufruf 2022: Wie lassen sich Flucht, Exil und Heimatlosigkeit in Worte fassen?

Zehn literarische Auseinandersetzungen mit dem Thema Flucht, Exil und Heimatlosigkeit wurden für die Shortlist des WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2022 nominiert. Sie antworteten auf die von Volha Hapeyeva, Trägerin des WORTMELDUNGEN-Literaturpreises 2022, formulierte Frage „Schiffe vor Anker, Autos auf Parkplätzen, aber ich bin diejenige, die kein Zuhause hat. Wie lassen sich Flucht, Exil und Heimatlosigkeit in Worte fassen?“

Die Jury sagte dazu: „In einer Zeit der massiven weltweiten Fluchtbewegungen beeindruckten die eingereichten Texte der jungen Autor:innen durch einen oftmals persönlichen und direkten Blick auf das Fortgehen, Ankommen oder auch Fremdbleiben. Der Umgang mit Kriegsfolgen und -traumata in der Familie, die direkte Begegnung mit Neuankömmlingen oder die bürokratische Verwaltung von Geflüchteten speisen sich in den oft erzählerischen Texten stark aus eigenen Erfahrungen und zeugen zugleich von der starken solidarischen Geste vieler Einreichungen. Mit genauer Wahrnehmung und sprachlich sensibel zeigen diese kurzen Texte, wie junge Autor:innen die Welt um sie herum sehen, welche Bedeutung Worte haben, und wie schwierig es ist, zwischen Bildern und Gefühlen zu navigieren, um endlich irgendwo anzukommen."

Die Texte der Shortlist-Autor:innen sind hier veröffentlicht.

Förderpreisverleihung und lange Lesenacht: 10 Texte zu Flucht, Exil, Heimatlosigkeit

Die Lesenacht mit den Shortlist Autor:innen des Förderpreises und die Preisverleihung 2022 fanden am 25. November 2022 in der jugend-kultur-kirche sankt peter statt.

„Schiffe vor Anker, Autos auf Parkplätzen, aber ich bin diejenige, die kein Zuhause hat.“ Wie lassen sich Flucht, Exil und Heimatlosigkeit in Worte fassen? Diese Frage richtete die WORTMELDUNGEN-Literaturpreisträgerin Volha Hapeyeva an Nachwuchsautor:innen. Deren literarischen Antworten "beeindrucken durch einen oftmals persönlichen und direkten Blick auf das Fortgehen, Ankommen oder auch Fremdbleiben, und zeugen zugleich von einer starken solidarischen Haltung.", so die Jury.

Die zehn Autor:innen der Shortlist des WORTMELDUNGEN-Förderpreises lasen Ausschnitte aus ihren Kurztexten. Im Gespräch mit Literaturkritikerin Lara Sielmann stellten sie sich und ihre Arbeit vor. Volha Hapeyeva und die Jury verliehen außerdem die WORTMELDUNGEN-Förderpreise an die drei Preisträger:innen.
Musikalisch gerahmt wurden die Lesungen durch Studierende der HfMDK Frankfurt aus dem Studiojahr Schauspiel, die von Günter Lehr am Klavier begleitet wurden.

In Lesung und Gespräch: Juli Mahid Carly, Nicole Collignon, Muri Darida, Julienne De Muirier, Anna Fedorova, Tara Meister, Sophia Merwald, Irina Nekrasov, Sophia Strasser, Jonë Zhitia
Gesang: Miguel Klein Medina, Arsalan Naimi, Miriam Schiweck und Anastasia Struzhak
Klavier: Günter Lehr
Moderation: Lara Sielmann (Kulturjournalistin und Literaturkritikerin)

Einen Rückblick der Veranstaltung finden Sie hier.

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