Katharina Bauer

Die Jahresuhr

 

Januar: Vom Schlachten einer Sau.

 

Will man ein Schwein schlachten, so betäubt man es zuerst mit einem Bolzenschussapparat. Ist das Tier ausgeblutet und abgebrüht, hängt man es mit schweren Eisenketten an den Hinterläufen auf. Nun nimmt der Metzger ein Beil und trennt die Sau vom Hintern ab in zwei Hälften, Hieb für Hieb. Ist das Beil nicht scharf genug, reißt es das Fleisch in Fetzen. Es entstehen dann kleine Fleischbrücken zwischen der einen halben Sau und der anderen halben Sau.

Was kümmert es mich, wenn in China ein Sack Reis umfällt?

Wir sind doch auch nicht für alle Probleme dieser Erde verantwortlich!

In einer Welt voll Egoisten muss man auch mal an sich denken.

Die kleinen Fleischbrücken werden schließlich auch durchtrennt. Noch ein Hieb, dann ist das Schwein entzwei.

Nichts hat mehr miteinander zu tun.

 

 

Februar: In the air tonight.

 

Mein Schlafzimmer öffnet sich zu einer der größten Straßen dieser Stadt. Tag und Nacht donnern die Kraftfahrzeuge hier vorbei, Autos, Kleintransporter, Busse, Lastwagen, Motorräder. Tausende, als wäre die Stadt nur für sie geschaffen, Nacht und Tag.

Mein Fenster ist mit schwarzem, grieseligem Schmutz behaftet. Ab und an peitscht der Regen gegen das Glas, er treibt das Schwarz vor sich her Richtung Fensterbrett, wo es in feinen Wellen festtrocknet.

Die Lungen, die wir aufschneiden, sind von dunklen Punkten durchsetzt, die dicht aneinander stehen und das Gewebe fast vollständig schwarz färben. „Netzförmige

Kohlepigmenteinlagerung“, sagt mein Oberarzt dazu. Mein Oberarzt sagt auch, man könne bei diesen schwarzen Lungen nie sagen, ob jemand viel geraucht hat.

Vielleicht hat er auch einfach nur in einer Großstadt gelebt.

 

März: Und der Mensch formt die Welt zu seinem Bilde.

 

Menschen gehen überall hin, Waren kommen von überall her, Globalisierung, Mobilität, Innovation, Wachstum, alles und immer und jetzt. Der Alltag, das Leben, die Welt: atemlos, metaphorisch.

Steigende Infektionszahlen in Afrika. 400.000 Tote in Brasilien. In Indien geht den Leuten der Sauerstoff aus. Die Menschen: atemlos, wörtlich.

„Sauerstoff rein, CO2 raus“ funktioniert nicht mehr.

In Australien brennt der Busch. In Brasilien roden sie den Urwald. Unter der Rinde heimischer Fichten quellen die Larven des Borkenkäfers.

Unsere Lungen versagen.

Der Regenwald im Amazonasbecken stößt nun mehr CO2 aus, als er bindet. Er hat nicht länger Lust, die Recyclinganlage unseres Lebensstils zu sein. Wir vernichten die Dinge, indem wir sie uns ähnlich machen.

 

Asphyxie, die: Asphyxie bedeutet wörtlich „Pulslosigkeit“. Unter Asphyxie versteht man ein Ersticken mit Sauerstoffmangel bei zugleich deutlichem CO2-Anstieg. Dies wird als besonders quälend empfunden (Atemnot, Dyspnoe, Erstickungsangst).

Steigt das CO2 in den Lungen und im Blut, bekommt man Todespanik. Der Mensch realisiert, dass er stirbt.

Die Welt realisiert, dass sie stirbt. Und sie wehrt sich. Die Lebensräume, die wir zerstören, müssen wir teuer bezahlen.

„Na, aber kommt das nicht von den Fledermäusen?“

„Ja, der Chinese, der frisst ja auch jeden Scheiß!“

„Mei, vielleicht leben die Viecher auch einfach zu nah an deren Städten …“

 

April: Eisbär’n müssen nie weinen.

 

Der Winter zögert den Beginn seines Auftritts ins Unerträgliche. Hat er aber endlich die Bühne betreten, möchte er sie so schnell nicht mehr verlassen. Gegen Ende der Vorstellung verschwindet er hinter dem Vorhang, sein Publikum soll getäuscht sein, dabei ist er noch da, et voilà, hier ist die Zugabe: In einigen Nächten schneit es, die Temperaturen sinken unter null.

Wenn die Obdachlosen alkoholisiert auf ihren Isomatten einschlafen, sie trinken ja fast alle, entweder Bier aus Plastikflaschen oder Jack-Cola aus der Dose, ihre prallen Aldi- oder Netto-Tüten neben sich, unbedeutende Schätze made in China, dann merken sie meist gar nicht, wie ihre Körperkerntemperatur abfällt, wie ihre Atmung immer öfter aussetzt und wie ihr Herz langsamer wird, bis es schließlich gar nicht mehr schlägt. Obdachlose erfrieren auch im April. Dabei fangen sie doch im Frühjahr an, sich wieder sicherer zu fühlen. 

Und während es hier zu kalt ist, schmelzen wenige Kilometer weiter in den Alpen die Gletscher. Jeder fünfte soll bald verschwunden sein. So wie die Polarkappen und die Welt, wie wir sie kennen.

Ich möchte ein Eisbär sein, im kalten Polar.

Dann müsste ich nicht mehr schrei’n, alles wär’ so klar.

 

Mai: Das Schweigen der Kastanienblätter.

 

Wenn ich früher schlafen gehen musste, obwohl noch das Restlicht des Tages den Abend erhellte, lag ich oft in meinem Bett und sah zu, wie die weißen Kerzen der Rosskastanie vor meinem Zimmer aus dem gräulichen Blau leuchteten und langsam erloschen. Schon mein Urgroßvater war am Stamm dieses knorrigen Baums emporgeklettert.

Auch hier in der Stadt gibt es eine Kastanie direkt vor meinem Fenster. Doch heutzutage sind Kastanienblätter bereits im Mai von kaffeesatzfarbenen Flecken entstellt. Die erste Larvengeneration der Miniermotte hat es sich in den tieferen Blattschichten gemütlich gemacht. Sie, die aus Griechenland über Mazedonien ganz Europa eroberte, ein blinder Passagier bei Reisen und Transporten, gönnt der Rosskastanie noch das Blütenkleid, dann saugt sie an den Lebensadern des Blattwerks.

Bald darauf sind die Blätter der weißen Rosskastanie dann komplett braun. Sie krümmen sich, kauern sich zusammen, wollen wohl ihre Hässlichkeit verbergen, fallen schließlich beschämt zu Boden, Herbstlaub zu Füßen eines Frühlingsbaums. Dabei sollte die Kastanie doch ein Stadtbaum sein, einer, der das Klima dort reguliert und den Staub aus der Luft in sich aufnimmt. Nun liegen die Blätter da, braun und trocken wie mumifizierte Körper, die man nach langer Zeit aus warmen, gut gelüfteten Wohnungen birgt, schon lange tot, aber niemanden kümmert es, jetzt, wo man keine Leistung mehr bringt.

Gestern stand Frau Nachbarin in unserer Einfahrt, mit einem Besen. Stand da und fegte tote Kastanienblätter weg.

Können Sie nicht vor Ihrer eigenen Tür kehren?, rufe ich aus dem Fenster.

Frau W. schaut mich an und wirft dann Blicke nach links und nach rechts über die  geometrisch gestutzten Hecken und die linoleumglatten Grasflächen.

Wieso?, sagt sie. Tut doch keiner hier!

 

Juni: Raindrops are falling and … nothing seems to fit

 

2013. In Regensburg deckt die Donau die Wurstkuchl bis fast an den Dachgiebel zu. In Passau verschlingt und verschlammt das Wasser Keller und Erdgeschosse. Die Überschwemmung zerstört sogar die dortige Trinkwasserversorgung. Drei Tage wasserlos im Wasser, man hätte tatsächlich durstig ertrinken können. Insgesamt sterben in Deutschland acht Menschen.

Höhere Temperaturen heißt mehr Verdunstung heißt: Der Wasserkreislauf kann sich schneller drehen. Die wärmere Atmosphäre speichert außerdem mehr Feuchtigkeit. Das bedeutet: Mehr Niederschlag auf einen Regenschauer und häufiger mal Hochwasser.

Wegen des Wassers sterben im Amazonasbecken manche, ohne je gelebt zu haben. Wenn der Wasserstand des Flusses im üblichen Jahresablauf sinkt, überziehen tausende Schildkrötenmütter einem Fischernetz gleich die weißen, vom Wasser befreiten Sandbänke. Zwei Monate hat ihr Nachwuchs Zeit, um in den behaglichen Eiern zu reifen, zu schlüpfen und in den nahen Amazonas zu krabbeln, bevor erneut Niederschläge einsetzen. Eine klug getaktete Sinfonie, doch der Regen hält sich nicht mehr an die säuberlich ausgearbeitete Komposition, immer öfter kommt sein Einsatz zu früh. Die kleinen Schildkröten ertrinken, noch halb in der Eierschale steckend oder während sie sich voller Panik durch den Sand nach oben wühlen.

Sie treiben dann im Wasser dieses majestätisch voranschreitenden Flusses, die weißen Bäuchlein nach oben, die Augen getrübt, die Mäulchen wie vor Schreck geöffnet. Irgendwann werden ihre Leiber aufquellen, Wasserleichen quellen immer irgendwann auf, ob Mensch, ob Tier. Lippen und Augenlider schwellen an, dann lösen sich die obersten Hautschichten. Die Lungen der Ertrinkenden sind aufgebläht, sie enthalten – genauso wie der Magen – ein Gemisch aus Wasser und Luft, Zeichen des Todeskampfes. Hoch, Luft atmen, runter, Wasser schlucken, hoch, Luft schlucken, runter, Wasser atmen?

Nicht nur das Wetter kommt am Ende durcheinander.

 

Juli: Another mother’s breaking

 

Das Schmallenberg-Virus wurde im November 2011 zum ersten Mal gehäuft im gleichnamigen Sauerländer Städtchen entdeckt. Die steigenden Temperaturen schaffen optimale Bedingungen für den Erreger, denn die Wärme lässt Mücken und Gnitzen noch aktiver werden. Sie sind für die Übertragung verantwortlich.

Angesteckte Tiere leiden meistens nur an unscheinbaren Symptomen. Problematisch wird es, wenn sich trächtige Kühe, Schafe oder Ziegen infizieren. Denn das Virus führt zu ausgeprägten fetalen Schäden, so die Wissenschaft.

Einer dieser „fetalen Schäden“ liegt nun auf dem Boden vor den Füßen meines Vaters, die Hinterbeine deutlich länger als die Vorderbeine. Hals und Kopf liegen abgeknickt auf dem Rücken des Kälbchens. Der Unterkiefer fehlt, dafür ist der Kopf umso größer, die medizinische Diagnose: Hydrocephalus, Wasserkopf.

Dieses Jahr waren es sieben Stück. Hier liegt das achte.

Wird so ein Kalb tatsächlich lebend geboren, verendet es qualvoll, der Landwirt kann ihm nicht helfen, kann es nur einschläfern. Oft kommt es zum Abort oder die Föten sterben noch im Mutterleib. Sind sie schon zu groß und stark deformiert, dann hilft oft nur ein Kaiserschnitt, um die Kuh von ihrem verwesenden Kind zu befreien. Sonst droht ihr eine Blutvergiftung oder der Uterus reißt während der Geburt und das Muttertier verblutet. Im schlimmsten Fall muss man den Fötus aus dem Kuhleib sägen, weil die Gelenke steif sind, Fetotomie, so der Fachbegriff.

Diese hier, seine Anne, hat es ohne Kaiserschnitt und Kindszerlegung geschafft. Er hat seiner Anne auf die Welt geholfen, sie großgezogen, ihre erste Geburt begleitet, gibt ihr jeden Tag das beste Futter. Und jetzt liegt da ihr Kalb und er kann nur danebenstehen.

Die Kuh hat sich längst hochgerappelt, breitbeinig stakst sie zu der Skulptur, die sie in so langer Qual in die Welt gepresst hat, zieht stoßweise die Luft durch ihre feuchte Nase und lässt dann den Geruch ihres Kalbes in einem langen Atemzug los. Den Kopf noch über ihr Kalb gesenkt blickt sie auf zu meinem Vater.

Mein Vater dreht sein Gesicht weg. Das ist alles, was er in diesem Moment schafft.

 

August: Hier kommt die Sonne.

 

Der Körper besteht zu siebzig Prozent aus Wasser. Mehr als die Hälfte eines Menschen kann also einfach vertrocknen, verdunsten, verloren gehen.

Wenn das passiert, hat man Durst.

Die Zunge zementiert sich an den Gaumen, tiefe Furchen ziehen durch weißen Belag.

Die Augäpfel kriechen tief in den Schädel, hoffnungsberaubt lugen sie aus den Höhlen.

Die Nieren produzieren nur noch ein paar Tröpfchen stark konzentrierten Urin, er verätzt Scheide oder Penisspitze, wenn er die Harnröhre verlässt.

Irgendwann versagen die Nieren ganz. Der Mensch vergiftet sich an sich selbst.

Der Acker meines Vaters ist totes Land. Hart wie Pflastersteine sind seine Schollen, kein einziger Keimling hat es aus dem Korn durch die Erdkruste geschafft.

Darum werden nun Brötchen teurer und der Bierpreis steigt um ein paar Cent. Auch das Futter wird knapp, es kostet dadurch mehr und die Bauern würden es vielleicht trotzdem bezahlen, doch wer soll sein weniges Futter denn verkaufen? Man braucht es doch für das eigene Vieh! Will man seine Tiere nicht verhungern lassen, muss man sie wohl schlachten.

Wahrscheinlich, sagt mein Vater, sinkt dafür der Fleischpreis. Wer braucht schon Brot, wenn er Fleisch haben kann?

Mehr Wetterextreme soll es geben in dieser klimawandel-geplagten Zukunft. Noch mehr Hitzewellen, noch mehr Dürreperioden.

Vielleicht solltest du den Hof verkaufen? Was Anderes machen? Scheiß auf Familienbetrieb, was hast du von dieser seit Generationen vererbten Last?

Vielleicht, Papa, kannst du dann zumindest einmal in deinem Leben Flugzeug fliegen.

Vielleicht nach Rom, morgens hin und nachts zurück.

30 Euro.

Jeden dritten Tag ein Brötchen weniger, dann hast du das bald wieder drin.

 

September: Weiche Teile und auch harte …

 

Verwöhnt von der Sonne wärmerer Länder, hat Chrysomya albiceps eine Voyage nach Deutschland gewagt und beschlossen zu bleiben. Ihre Ankunft vor zwanzig Jahren wurde von Entomologen bejubelt, denn Madame hilft, die Geheimnisse des Todes ein wenig zu entblößen. Der Dynastie der Schmeißfliegen entsprungen, besiedelt Chrysomya die Körper längst Dahingeschiedener lediglich von August bis Ende September, denn ihre verwöhnten Fratzen goutieren nur hohe Temperaturen.

Ruht ein Toter seit Monaten oder gar Jahren in der Natur, ist nicht mehr viel von ihm zu erkennen. An manchen Stellen liegen Knochen frei, weil Wildtiere am Leichnam nagen und zerren. An anderen Stellen ist die Haut vertrocknet, braun und starr wie das Leder eines alten Sattels, den man zu lange nicht mehr poliert hat. Manchmal bricht die Haut, das Gewebe darunter sieht dann aus wie eine getrocknete Dattel, die man aufreißt.

Auf diesem unerschöpflich scheinenden Leckerbissen hat Chrysomya längst ihre Eier abgelegt. Die Larven schlüpfen in eine Schlemmerei hinein, die sie bis zur Verpuppung verwöhnt. Larven, Puppen, Fliegen, ihre Hülsen und sogar ihre Leichen helfen bei der Frage, wie lange ein unerkennbarer Jemand schon nicht mehr lebt.

Doch nun werden die Sommer viel früher viel wärmer. Die Blagen der Schmeißfliege geben sich bereits mit Julitagen zufrieden. Bald reicht ihnen vielleicht schon der Mai oder noch der Oktober.

Der Tod darf sich wieder über ein wenig mehr Verschleierung freuen. 

Ist das nun gut oder schlecht für die Leichen in unseren Kellern?

 

Oktober: Wirtschaftsflüchtling.

 

Gestern kam im Fernsehen, dass der Boden in Russland taut ...

Also nie wieder Sibirien? Der Patient lacht und schaut auf seine Zehen. Drei sind es, am linken Fuß.

Den Rest hat er in der Gefangenschaft gelassen?

Nein, hat er nicht. Also der Boden taut, da hinten in Sibirien.

Ja, wohin sind denn seine Zehen?

Na, weniger ist manchmal mehr! Was wohl der Russe da drüben angestellt hat?

Wegen uns Menschen tauen die Permafrostböden. Und durch das CO2 und das Methan, das dann frei wird, erhitzt sich die Erde noch schneller …

Ich sag ja, die Russen hatten schon immer nicht alle Stacheln am Draht.

… dann werden in Zukunft noch mehr Menschen an Strände gespült …

Verdammte Wirtschaftsflüchtlinge!

… weil sie in ihrem Land nichts mehr haben außer Hunger und Durst …

 

Würden die da unten mal das Schnackseln lassen, dann würd’ das Essen auch wieder für alle reichen!

Erinnern Sie sich noch, der ertrunkene Junge da? Drei war er …

Für sowas sollen wir unsere Steuern opfern! Und dann wollen Leute wie Sie keine Kinder kriegen …

 

Naja, die Ressourcen auf der Welt sind doch eh schon knapp …

Wer soll denn dann mal Ihre Rente bezahlen!?

Der Boden, der taut, der gibt übrigens auch alte Viren und Bakterien frei.

Soll ich Ihnen mal zeigen, wie das geht, das mit den Kindern?

Sie sollten weniger Zucker essen, sonst müssen wir bald den ganzen Fuß amputieren.

Viren, Bakterien, Amputationen … Das mit dem Kranksein ist wirklich ein Kreuz. Schon klar, dass Sie Kindern so etwas ersparen möchten!

 

November: … of a white christmas

 

Vor Jahren stieg die Atemluft der Adventslieder noch in kleinen Dampfwolken aus geöffneten Mündern, blieb an Nasenspitzen hängen und wurde dort zu feinen Tröpfchen, die schließlich in einem hastig herausgekramten Taschentuch landeten.

Die Lieder, die ich meinen zukünftigen Nichten und Neffen vorsingen werde, werden dann nur mehr Lieder über Erinnerungen sein. Die Kinder von später werden nicht verstehen, warum unter unseren Weihnachtsbäumen Schlittschuhe, Skier oder Pullis lagen, und sie werden nie im Schnee nach den Barfußspuren vom Christkind suchen. Und das Glühweintrinken, das werden sie auch nicht verstehen, wie scheußlich muss Glühwein bei 15 Grad im Schatten schmecken?

Sie werden nicht verstehen, dass Menschen damals tatsächlich erfrieren konnten, und sie werden sich wundern, warum die Gletscher in den alten Erdkundebüchern höher waren, als sie es jetzt sind.

Eines Tages werden sie vielleicht fragen, ob wir heute noch Schnee haben könnten.

Müssen wir ihnen dann sagen: Ja … Wenn damals jeder vor seiner eigenen Haustür geräumt hätte?

And may all your christmases be white.

 

Dezember: Schlachtfest

 

Aus der einen Sau werden nach dem Schlachten zig säuberlich voneinander abgetrennte Einzelteile. Das in die Schüssel, dies auf den Herd und jenes durch den Fleischwolf. Am Ende wird aus dem Teil die Blutwurst, aus diesem die Bratwurst und aus jenem das Hackfleisch. Außerdem Presssack, Leberwurst und Kesselfleisch.

Das alles hängt dann beim Metzger. Wer früh und mit der entsprechenden Kaufkraft kommt, kann sich aussuchen, was er will. Filet und Kotelett, versteht sich. Für den Mittelstand gibt es Bauchspeck und Wurst. Die Letzten und Armen, die kriegen die Schlachtabfälle – selbst dafür braucht es ein Quäntchen Glück. Manche kriegen nämlich gar nichts. Das sind die, die immer vergessen werden.

Nun wird gebissen, gekaut, geschmatzt und geschluckt und niemand denkt, während er Lust oder Hunger stillt, an die Sau selbst, die erst zerteilt so viel wertvoller scheint als in ihrer Gesamtheit. 

Dabei hätte niemand auch nur einen Bissen in seinem Mund, wenn es am Anfang nicht das Gesamte gegeben hätte.

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