Preisträger:innen des Wortmeldungen-Förderpreises 2020

Miriam Emefa Dzah (Cambridge und Berlin), Jasmin Merkel (Berlin) und Marie Lucienne Verse (Leipzig) waren die Preisträger:innen des mit 15.000 Euro dotierten WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2020. 

Der Preis wurde zu gleichen Teilen vergeben. In jenem Jahr war einer der Preise explizit für eine Rede ausgeschrieben. Er ging an Jasmin Merkel für ihre Rede Meine Name ist Maike Kleeberg. Die anderen beiden Preise gingen an den essayistischen Text Wach bleiben von Miriam Emefa Dzah und die Kurzgeschichte Aufschlussfiguren von Marie Lucienne Verse. Geantwortet hatten sie alle drei auf Kathrin Rögglas Aufruf: „Die Geschichte läuft wieder, nur eben rückwärts.“ Wie erobert Ihr Euch die Zukunft zurück?

„Die Jury des Wortmeldungen-Förderpreises war beeindruckt von der stilistischen und formalen Vielfalt, in der junge Autor:innen ihre dringlichen Anliegen an die Gesellschaft formuliert haben. Von der essayistischen Betrachtung über die elaborierte Rede bis hin zur klassischen Kurzgeschichte reichte die Bandbreite der eingereichten Texte, die bei aller Unterschiedlichkeit allesamt durch ihren unbedingten Willen zur Veränderung gegenwärtiger Missstände geprägt waren. Was die Texte einte, ist ihr wütender, aber nicht hoffnungsloser Blick auf ein komplexes Zeitalter.“ (Begründung der Jury)


Miriam Emefa Dzah

Wach bleiben ist ein Text über die Müdigkeit: Er erzählt vom Verzweifeln an rassistischen Verhältnissen und vom Verzweifeln am weißen Blick.

Doch Miriam Emefa Dzah schreibt sich mit Selbstverständnis ein in einen neuen Kanon und befreit sich damit von Zuschreibungen; setzt Referenzpunkte, die wir selbst ergründen sollen. Das Ich will nicht mehr erklären, es will ein Erdbeben sein. Wach bleiben ist auch der Text einer Selbstermächtigung – und ist eine Utopie, der wir folgen wollen.“

Miriam Emefa Dzah (*1998 in Paderborn) lebt in Cambridge und Berlin. An der University of Cambridge studiert sie Soziologie und Politikwissenschaft. Sie ist Stipendiatin des Programms Medienvielfalt Anders der Heinrich-Böll-Stiftung und Redaktionsmitglied der Magazine Bait und Mosaic.

Wach Bleiben

Jasmin Merkel

Mein Name ist Maike Kleeberg führt mit Wucht vor Augen, was es bedeutet, ein Opfer unter vielen zu sein, eine Nummer in einem System.

So nüchtern wie eindringlich schildert Jasmin Merkel eine konkrete individuelle Erfahrung und verbindet diese mit den Statistiken zu sexualisierter Gewalt. Auf eklatante Weise entlarvt sie so die Mechanismen, durch die eine Anerkennung von weiblicher Unterdrückung und Femizid als strukturelle Probleme in der Gesellschaft verhindert werden. Eine aufrüttelnde und scharfe Rede gegen die Ignoranz, gegen Verharmlosung und Bequemlichkeit – auch in der Sprache.“

Jasmin Merkel (*1991 in Oranienburg) studiert Kognitive Medienlinguistik in Berlin. Sie beschäftigt sich mit Frauenrechten und dem deutsch-deutschen Verhältnis nach 1989. 2019 wurde sie mit dem studentischen Essaypreis der Deutschen Gesellschaft ausgezeichnet.

Mein Name ist Maike Kleeberg

Marie Lucienne Verse

Aufschlussfiguren besticht durch sein originelles literarisches Spiel unter dem Zeichen einer ökologischen Krise.

Der formal vielfältig ausgerichtete Text greift durch seine mäandernde Struktur die Problematik der ökologischen Zerstörung durch den Braunkohletagebau auf. Ihm gelingt es, durch seine ästhetische Setzung politische Brisanz zu erzeugen, einen widerständigen Blick gegen die Vereinnahmung, eine vielsprachige Untersuchung der Unverhältnismä-ßigkeiten und Täuschungsmanöver, eine Optik, die das persönliche und das große Gesellschaftliche, mehr noch, das Ökosystemische verbindet.“

Marie Lucienne Verse (*1994 in Darmstadt) ist in Berlin aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und seit 2019 am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie war Preisträgerin beim Retzhofpreis für junge Literatur (2018) und beim Literaturpreis Prenzlauer Berg (2019). 2020 war sie zu den Tagen der jungen Dramatik eingeladen.

Aufschlussfiguren

Shortlist zum Förderpreis-Aufruf 2020: „Die Geschichte läuft wieder, nur eben rückwärts.“ Wie erobert Ihr Euch die Zukunft zurück?

10 Autor:innen wurden mit ihren Texten aus knapp 300 Einsendungen von der Jury für die Shortlist des WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2020 nominiert. Die Jury sagte dazu: „Die Texte, die wir in diesem Jahr gelesen haben, stellen drängende Fragen an unsere Gegenwart, sie denken nach vorne und tun das oft mit einem Blick auf die Geschichte. Sie erzählen von Versehrtheit und dem Traum vom Weiterleben, sie sind geprägt von der Wut über Rassismus, die Klimakatastrophe, unsere oder die eigene Untätigkeit. Damit werden wir als Juror:innen und Leser*innen konfrontiert und provoziert, emotional und intellektuell herausgefordert. Die Gattungen fließen ineinander. Wir haben nicht selten Texthybride gelesen und eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten erlebt, der wir in unserer Auswahl versuchen, gerecht zu werden. Die Ironie ist vorbei, es geht hier um alles. Die Hoffnung ist in den Texten der Preisträger:innen eine Utopie, an der gearbeitet wird.“

Die Texte der Shortlist-Autor:innen sind hier veröffentlicht - es sind sieben Erzähltexte, zwei Reden und ein Essay.

Preisverleihung und Lesenacht 2020

Die Lesenacht mit den Shortlist Autor:innen des Förderpreises und die Preisverleihung 2020 fanden am 21. November 2020 als Zoom-Veranstaltung statt.

Rassismus, Populismus, soziale Spaltung, Klimakollaps und dann Covid-19 – 2020 hätte nicht turbulenter sein können. Wie schreiben junge Autor*innen angesichts dieser Lage, was denken sie über die Zukunft, wie blicken sie auf die Vergangenheit? Das zeigen die zum WORTMELDUNGEN-Förderpreis eingereichten Texte. „Die Geschichte läuft wieder, nur eben rückwärts.“ Wie erobert Ihr Euch die Zukunft zurück? So lautete die Frage, die WORTMELDUNGEN-Preisträgerin Kathrin Röggla den Nachwuchsautor*innen stellte. Die Antworten hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Im Laufe des Abends lasen alle 10 Autor*innen der Shortlist kleine Ausschnitte aus ihren Texten und stellten sich im Gespräch mit Florian Werner vor, der den Abend moderierte. Ausgezeichnet wurden die drei Förderpreisgewinnerinnen durch Kathrin Röggla und die Jury des WORTMELDUNGEN-Förderpreises.
Musikalisch begleitet wurde die Lesung durch drei Studierende des Studiojahr Schauspiel.

Text: 10 junge Autor:innen und ihre Texte zum Thema Vergangenheit und Zukunft. Es lasen Lucia Barbara Bauer, Miriam Emefa Dzah, Leopold Helbich Frey, Dorina Marlen Heller, Christian Hödl, Jasmin Merkel, Vivian Polenz, Anna Yeliz Schentke, Anna Stadler und Marie Lucienne Verse
Gesang: Anna Bardaveldize, Vanessa Bärtsch und Jonathan Lutz
Moderation: Florian Werner

Einen Rückblick der Veranstaltung finden Sie hier.

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