Preisträger:innen des WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2023

Clemens Böckmann, Nicole Collignon und Giorgio Ferretti sind die Preisträger:innen des mit 15.000 Euro dotierten WORTMELDUNGEN-Förderpreises 2023. Der Preis wird zu gleichen Teilen vergeben. Clemens Böckmann wird für den Text how I missed the war ausgezeichnet, Nicole Collignon für Dinge, die passieren und passiert sind und Giorgio Ferretti für Übergesetzung. Geantwortet hatten alle drei auf Judith Schalanskys Aufruf: Wenn mangelndes Wissen nicht der Grund für die alarmierenden Zustände der Gegenwart ist, dann womöglich mangelnde Fantasie. Mit welcher Sprache, welchen Erzählungen und Bildern macht ihr kommende Krisen und Kipppunkte erfahrbar?

"Aus einem Jahrgang, der durch eine große Bandbreite an literarischen Ansätzen glänzt, zeichnet die Jury drei herausragende Texte aus, die sich sprachlich wie inhaltlich auf besonders beeindruckende und unerwartete Weise den Katastrophen und Kipppunkten unserer Welt stellen. Bei aller stilistischen Unterschiedlichkeit nehmen sie ebenso die Ebene des Subjektiven, Intimen in den Blick, als auch die übergeordnete Dimension gesellschaftlicher Verschiebungen und Prozesse. Alle dokumentieren ein intensives Nachdenken über Sprache, über Körper, über den Menschen im Einklang und im Widerspruch mit der nichtmenschlichen Welt, wobei ‚Veränderung‘ auch als Moment von Ermächtigung und Emanzipation ausgelotet wird. Was bei den drei Texten besonders hervorsticht, ist ihr Mut, Leser:innenerwartung geschickt zu unterlaufen und gerade dadurch ihre Gegenstände präzise zu erfassen.", so die Begründung der Jury.


Clemens Böckmann

"Clemens Böckmanns virtuose Collage how I missed the war fragt nach dem, was Krieg bedeutet – aus vermeintlich sicherer Entfernung. Er blättert 43 Postkarten vor uns hin, in denen die Verfasser:innen aus ihrem Alltag berichten, während andernorts zeitgleich die Gewalt eskaliert.

Es sind Botschaften unbekannter Absender an ein nicht benanntes Gegenüber, teils alltäglich-knapp, teils traumlogisch verschoben. Am unteren Postkartenrand laufen als Ticker die Statusmeldungen aus dem Kriegsgeschehen mit und beginnen alles einzufärben, womit sie in Kontakt kommen. Bald wird klar: Der Krieg kennt keine Begrenzung, er hat die Grenze immer schon überschritten: Die sichere Entfernung ist eine Illusion. Dies in aller Konsequenz und zugleich literarisch hochsubtil aufzuzeigen ist die große Leistung von Clemens Böckmanns Text." (Begründung der Jury)

Clemens Böckmann (*1988) studierte in Kiel, Lissabon und Tel Aviv. 2018 machte er seinen Abschluss im Bereich Sprache und Gestalt bei Oswald Egger an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Er arbeitet als Autor, Filmemacher und Herausgeber in Leipzig. Er ist sowohl im hochroth Verlagskollektiv als auch in der Christian-Geissler-Gesellschaft tätig.

how I missed the war txt-Datei

Nicole Collignon

"Nicole Collignons Dinge, die passieren und passiert sind entwirft eine Flut als sprachliche Realität. Ein schillernder Bilderstrom aus schlichten Wörtern – Hand und Hund, Fisch und Frau – trägt durch eine sich umwälzende Welt:

vom brennenden Meer in den Ölregen, vom grotesken Aussaugen der Welt zur ebenso grotesken Inbesitznahme eines Menschen durch einen Fisch, von zartem Beistand zum Moment, als ein bedrängtes Mädchen endlich Nein sagt. Ein Kipppunkt kann zu individueller Ermächtigung und Befreiung führen, und Collignon wirft in ihrem kompositorischen Vexierspiel die Frage auf, wie sich dieser Befund auf Globales übertragen lässt. Es intensiviert noch die magnetische Wirkung dieses Textes, dass er diese Frage den Lesenden offen übergibt." (Begründung der Jury)

Nicole Collignon (*1999) studiert Sprachkunst im Master an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sie schreibt Kurzprosa, Essay, Lyrik und Prosa und ist Teil der Lesebühne SEHR ERNSTE. Gerade arbeitet sie hauptsächlich an ihrem ersten Roman sowie zusammen mit dem Maler Nick Horter an einem Perzeptionsglobus.

Dinge, die passieren und passiert sind txt-Datei

Giorgio Ferretti

"Giorgio Ferretti erzählt in Übergesetzung die Geschichte eines jungen Menschen, der zum ersten Mal wieder zurück in seine Heimatstadt nach Norditalien reist. Er stammt aus einem Gebiet, in dem die Berge ausgehöhlt werden, um Kalkstein abzubauen.

Die Grabungen wirken sich bis ins Intime aus: Die Gewalt des Rohstoffabbaus ist nicht vereinbar mit der Zärtlichkeit zwischen zwei Menschen, die Aushöhlung der Landschaft degradiert die Verschmelzung zweier Körper zu einer Utopie. Unter welchen Umständen und in welchen Zusammenhängen kann ein Mensch sein Glück finden? Giorgio Ferretti geht dieser Frage nach, er führt Wirklichkeit und Ideal parallel – mit der Eleganz und Virtuosität eines großen Erzählers." (Begründung der Jury)

Giorgio Ferretti (*1990) studiert seit 2019 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2022 erhielt er den exil-Dramatiker*innenpreis und 2023 das Stipendium SchreibZeit der Stiftung Niedersachsen. Veröffentlichungen u.a. in Akzente, Bella Triste und PS – Politisch Schreiben.

Übergesetzung txt-Datei

Die diesjährige Förderpreisverleihung und lange Lesenacht findet am 24. November im Danzig am Platz in Frankfurt statt.

Ein Programm der Crespo Foundation Logo Crespo Foundation